Das Urprinzip in der Kosmogonie
In der "Geheimlehre" schreibt Helena Petrovna Blavatsky unter anderem über das Thema der Kosmogonie respektive über das sogenannte Urprinzip. Wer dieses Urprinzip allen Werdens und Seins besser verstehen lernen möchte, wird, wenn sein Geist und sein Herz offen genug dazu sind, verstehen.
Das Urprinzip.
"Das Grundgesetz dieses Systems, der Mittelpunkt, aus dem alles emportaucht, und um und gegen welchen alles gravitiert und von dem alle ihre Philosophie abhängt, ist das Eine gleichartige göttliche SUBSTANZ-PRINZIP, die Eine wurzelhafte Ursache.
Nur Wen'ge, deren Lampe heller schien,
Der führt von Grund zu Grund ein sichrer Schluss
Zu der Natur geheimem Haupte hin -
Sie fanden, dass ein Urprinzip sein muss.
Es wird "Substanz-Prinzip" genannt, weil es auf der Ebene des geoffenbarten Weltalls zur "Substanz" wird, zu einer Illusion, während es ein "Prinzip" bleibt in dem anfangslosen und endlosen abstrakten, sichtbaren und unsichtbaren RAUME. Es ist die allgegenwärtige Wirklichkeit; unpersönlich, weil es alles und jedes Ding enthält. Seine Unpersönlichkeit ist die Grundidee des Systems. Es ruht in jedem Atome des Weltalls und ist das Weltall selbst.
Das Weltall ist die periodische Offenbarung dieser unbekannten, unbedingten Essenz. Es "Essenz" zu nennen ist jedoch eine Sünde gegen den eigentlichen Geist der Philosophie. Denn obwohl das Wort in diesem Falle von dem Zeitwort esse, "sein", abgeleitet werden kann, so kann ES doch nicht mit einem "Wesen" irgendwelcher Art identifiziert werden, welches vom menschlichen Intellekt vorgestellt werden kann. Am besten wird es beschrieben als: weder Geist noch Stoff, sondern beides.
Geist oder Parabrahman und Stoff oder Mûlaprakriti sind in Wirklichkeit Eines, jedoch Zwei in der allgemeinen Vorstellung des Geoffenbarten, selbst in der Vorstellung des Einen Logos, der ersten "Offenbarung", welcher, wie der fähige Vortragende in den "Noten zur Bhagavadgîtâ" zeigt, ES vom objektiven Standpunkt aus als Mûlaprakriti, und als Parabrahman erscheint; als sein Schleier und nicht als die eine Wirklichkeit, die hinter demselben verborgen ist, die unbedingt und absolut ist.
Das Weltall mit allem, was in ihm ist, wird MAYA genannt, weil alles darin vergänglich ist, vom kurzdauernden Leben eines Leuchtkäfers bis hin zu dem der Sonne. Verglichen mit der ewigen Unveränderlichkeit des EINEN und der Unwandelbarkeit dieses Prinzips, kann das Weltall mit seinen dahinschwindenden, ständig wechselnden Formen für das Denken eines Philosophen notwendigerweise nicht als etwas Besseres erscheinen denn ein täuschendes Irrlicht. Doch ist das Weltall dennoch wirklich genug für die bewussten Wesen in ihm, die ebenso unwirklich sind wie es selbst.
Alles im Weltall in allen seinen Reichen ist BEWUSST, das heißt begabt mit einem Bewusstsein eigener Art und auf seiner eigenen Wahrnehmungsebene. Weil wir zum Beispiel in Steinen keine Zeichen eines Bewusstseins - die wir erkennen können - wahrnehmen, haben wir kein Recht zu sagen, das in ihnen kein Bewusstsein existiert. Es gibt nichts Derartiges wie "tote" oder "blinde" Materie, so wie es auch kein "blindes" oder "unbewusstes" Gesetz gibt. Diese Dinge finden keinen Platz unter den Begriffen der okkulten Philosophie. Diese bleibt nie bei den oberflächlichen Erscheinungen stehen, und die noumenalen Inhalte haben für sie mehr Wirklichkeit als ihre objektiven Gegenstücke."
(Quelle: Helena Petrovna Blavatsky, Die Geheimlehre, Band 1, S. 294f.)